12. September 1980. Im türkischen Fernsehen verkündet ein General in Uniform: "Die türkische Armee hat im Morgengrauen die Macht übernommen, um den territorialen Zusammenhalt des Landes zu bewahren, die Gefahr eines Bürgerkrieges abzuwenden und die staatliche Autorität wieder herzustellen". Die Armee, die sich als die Wahrerin der Ideale von Staatsgründer Atatürk versteht, verhängt das Kriegsrecht in einer Situation der Wirtschaftskrise, der tiefen sozialen und politischen Konflikte. Leichen auf den Straßen nach gewaltsamen Zusammenstößen rechter und linker Extremisten, Streiks, Arbeitslosigkeit und hohe Inflation waren an der Tagesordnung. Fortan war die Türkei eine Militärdiktatur. Das Parlament wurde aufgelöst, Parteien verboten. Nach 1960 und 1971 war das schon der dritte Militärputsch in der jungen Geschichte der erst 1923 gegründeten türkischen Republik. Für den General an der Staatsspitze war 1982 Kleiderwechsel angesagt. Putschistengeneral Evren trat nun als ziviler Staatspräsident auf. Ein weiteres Jahr später wurde offiziell eine Zivilregierung eingesetzt, die allerdings in jeder Beziehung vom Militär kontrolliert wurde. Der General in Zivil blieb bis 1989 Staatsoberhaupt der Türkei. Als sich zu Beginn der 90er Jahre die politische Weltlage grundlegend änderte, als erstmals islamistische Kräfte in der nun miltipolaren Welt als Bedrohung wahrgenommen wurden, hatte die türkische Armee einen neuen Feind. 1997 zwang sie die religös orientierte Regierung Erbakan zum Rücktritt. Die danach mit moderaterem Programm auftretende Partei AKP gewann 2002 die Wahlen -- und die Militärs verloren an Einfluß. Mehr als 30 Jahre genossen die Putschisten Immunität. Bis 2010 dieser Teil der Verfassung geändert wurde.