Ernst S. war „wie ein Vogel. Sagen wir, vom Sommer an, wenns schönes Wetter war, hat er gepfiffen und gesungen und ging ein wenig bädelen. Und im Winter wars dann halt blöd, dann ists oft mal kalt gewesen, und dann hatte er Hunger und kam wieder: ‚Habt ihr mir nichts zu essen hier?’“ Das sagt einer der Brüder von S. in Richard Dindos und Niklaus Meienbergs Dokumentarfilm von 1976. „Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.“ spielt mit dem Verdacht, dass in der Schweiz im November 1942 bei Oberuzwil ein Vogelfreier, ein leicht Stumpfsinniger erschossen wurde. Der junge Mann befand sich an der Grenze zur Schuldfähigkeit. Die Mutter früh verloren, der Vater alkoholkrank, bekam S. einen Vormund, kam in eine Erziehungsanstalt. Hatte dann als Soldat für ein paar hundert Franken einem deutschen Spion vier Artillerie- und eine Panzergranate zugespielt, aus einem unbewachten Munitionsdepot der Armee. Ausserdem unpräzise Skizzen von Artillerie- und Bunkerstellungen. Manch einem erzählte S. von dem so leicht verdienten Geld und lachte bis zuletzt über das Gerichtsverfahren. Seine Erschiessung diente der Klassenjustiz zur Abschreckung gegen viel schlimmere Landesverräter. So jedenfalls sahen es Meienberg und Dindo, die an die wahren Anpasser an Hitler-Deutschland erinnern wollten, die hoch oben gesessen hätten, im Bundesrat, im Generalstab oder der Hochfinanz, und nie verurteilt wurden.